Dokumentarfilme International

Köln: Filmpalette, Fr. 7.2., 19 h

POR 2019 • 106‘ • OmdtU • Regie: Tiago Hespanha


Am Stadtrand von Lissabon liegt Europas größte Militärbasis. Soldaten trainieren anhand von fiktiven Szenarien für einen zukünftigen Krieg, die Anwohner hören nachts die Einschläge der Geschütze, ein Junge spielt Klavier. Soldaten wie Hobbyastronomen durchwachen auf ihren Missionen die Nacht, Ornithologen lauern auf den Balzgesang seltener Vögel, Scharfschützen auf Feinde und Zielscheiben. Imker schauen nach ihren Bienen, ein Schäfer hilft einem gebärenden Muttertier: Arkadisch anmutende Landschaften mit Rehen und grasenden Schafen im Morgennebel treffen auf ein modernes Marsfeld („campo de marte“), wie die Kriegsübungsplätze im antiken römischen Reich hießen. Der Film lässt sich Zeit für seine Beobachtungen. Er hört den Erzählungen der Menschen ebenso zu wie der vom Klang des Kriegsspiels inspirierten Klavierkomposition „Battle in the Stars“. Er lauscht
den Schafen, den Vögeln, den Bienen. Darin liegt eine Gleichzeitig- wie Gleichwertigkeit – der Gewalt, der Natur, der Menschen, der historischen wie zukünftigen Schichten, des Materiellen und des Transzendentalen. Frederik Lang, Dok Leipzig


Köln: Außenspielstätte Offenbachplatz, Sa. 8.2., 20 h, Gäste: Paul Faßnacht & Michael Harder;
Münster: Cin.&Kurbelkiste, 12.2., 18.30 h

D 2019 • 73‘ • Regie: Michael Harder

Es ist ihr Beruf: Schauspieler und Schauspielerinnen schlüpfen jeden Tag in neue Rollen. Wir erleben sie als Schurken, HeldInnen, VerführerInnen oder VersagerInnen. Was verlangt das Spiel der Person hinter der Rolle ab? Was geschieht bei der Verwandlung von Person zu Figur und was bleibt nach dem Spiel an den Menschen haften? Der Film lässt Schauspieler und Schauspielerinnen zu Wort kommen. Die einzelnen Erfahrungen und Sichtweisen formieren sich zu einer authentischen Reflexion über einen außergewöhnlichen Beruf und über die fließenden Grenzen zwischen Spiel und Realität.

Mit: Thomas Arnold, Muriel Baumeister, Paul Faßnacht, Martin Feifel, Claus Theo Gärtner, Jürgen Heinrich, Aleksandar Jovanowic, Joachim Kerzel, Gro Swantje Kohlhof, Ulrike Krumbiegel, Manfred Lehmann, Katrin Pollitt, Alexander Scheer, Jörg Schüttauf und Jevgenij Sitochin.

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Köln: Filmforum, So. 2.2., 17.15 h; Essen: Filmstudio, Di. 4.2., 18 h; Bochum: Endstation Kino, Mi. 5.2., 19 h; Duisburg: Filmforum, Sa. 8.2., 18 h

CHL/FR 2019 • 85‘ • Regie: Patricio Guzmán

Mit LA CORDILLERA DE LOS SUEÑOS vollendet der chilenische Dokumentarfilmer die Trilogie zu seiner verlorenen Heimat Chile. Nach der Atacama-Wüste in „Heimweh nach den Sternen“ und den Wasserstraßen in „Perlmuttknopf“, widmet er sich auf besonders persönliche Weise dem Anden-Massiv. Es macht 80% der Oberfläche Chiles aus, ist jedoch für viele Chilenen ein unbekanntes Gebiet. Guzmán, der seit dem Pinochet-Putsch 1973 im Pariser Exil lebt, betrachtet diesen blinden Fleck in der Natur als Sinnbild für die Geschichte Chiles – eine Geschichte revolutionärer Utopie, faschistischer Diktatur und neoliberalem Raubbau an der Gesellschaft, die bis heute die politischen und ökonomischen Realitäten des Landes maßgeblich beeinflusst, aber aus der Wahrnehmung der Gesellschaft verdrängt wurde. Sein Film ist ein Werk der Bewusstmachung und ein Plädoyer gegen das Vergessen. Bester Dokumentarfilm Cannes 2019!

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Brühl: Zoom Kino, Mo. 3.2.: fällt aus!
Köln: Filmpalette, Mi. 5.2., 18.30 h

BR 2017 • 112‘ • OmenglU • Regie: Lúcia Veríssimo

Was ist der Sound von Rio de Janeiro? Für einige ist es zweifellos der einzigartige Vibe von „Os Cariocas“, der legendären Band, die den Bossa Nova bekannt machte. Anhand ihrer Entwicklung erzählt der Film die Geschichte moderner brasilianischer Musik, von seinen Ursprüngen im goldenen Zeitalter des „Radio Nacional“ bis hin zu seiner zeitgenössischen Variation. Die Regisseurin und Tochter des Dirigenten der Band (Severino Filho) präsentiert eine Fülle von intimen Interviews mit einflussreichen Künstlern, derer nur Vertraute und Eingeweihte zuteilwerden. Gal Costa, Gilberto Gil, Caetano Veloso: Veríssimos Protagonisten lesen sich wie das Who is Who des brasilianischen Musikadels und machen den Film zu einem lebendigen Gegenstand, der Musikliebhaber heute und in vielen Jahren noch einweihen und inspirieren wird. Miami Film Festival

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Brühl: Zoom Kino, So. 2.2., 18 h;
Köln: Filmpalette, Mo. 3.2., 19 h

PL 2018 • 61‘ • OmenglU • Regie: Jaśmina Wójcik

Das traditionsreiche Unternehmen Ursus bei Warschau stellte im großen Stil Landmaschinen her und gab vielen Menschen Arbeit. Um die Fabrikhallen entstand ein Wohnviertel, das noch heute existiert - das Unternehmen ging jedoch mit dem Kommunismus unter. Im Film wird Ursus symbolisch wiederbelebt, indem ehemalige Beschäftigte als Darsteller ihrer selbst rituell einen früheren Arbeitstag nachempfinden. Die Künstlerin Jaśmina Wójcik inszeniert mit Hilfe des Choreografen Rafał Urbacki die im Körpergedächtnis gespeicherten Erinnerungen an die Tätigkeiten und dokumentiert in der nach musikalischen Regeln arrangierten Performance die ehemalige Wirklichkeit der Fabrik.

In Köln im Vorprogramm:
ASCONA
D 2019 • 15‘ • Regie: Julius Dommer

Ein Ort, der aus der Zeit gefallen scheint. Ein Ort, der sich seit den 1950er Jahren nicht verändert hat – der aber immer noch existiert! Ein Minigolfplatz wird zur Analogie einer Gesellschaftsanalyse.

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Köln: Filmforum, So. 2.2., 15 h

Gast: Katrin Schlösser

D/AT 2019 • 93‘ • Regie: Katrin Schlösser

Zehn Jahre sind seit ihrer Affäre vergangen. Als sie sich wieder sahen, hat Lukas Katrin gleich einen Heiratsantrag gestellt, und sie sagte „ja". Um dem Rätsel ihrer schicksalhaften Verbundenheit auf die Spur zu kommen, hält Katrin Szenen ihrer Ehe mit der Handykamera fest. Minutiös begleitet sie ihre Beziehung, dokumentiert liebenswerte Alltäglichkeiten und intime Neckereien ebenso ungefiltert wie Konflikte und Streitereien. Die Vertrautheit und radikale Offenheit vor und hinter der Kamera überträgt sich auf die Zuschauer/innen und wirft sie immer wieder auf sich selbst zurück. Sie lässt Raum, das eigene Verhalten zu hinterfragen. Der persönliche Film erzählt auf zärtliche und amüsante Weise von den Höhen und Tiefen einer Verbindung, die sich für Pflicht und Wahrheit entschieden hat.

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Münster: Cin.&Kurbelkiste, 5.2., 18:30 h
Duisburg: Filmforum, Fr. 7.2., 18 h;
Köln: Filmpalette, So. 9.2., 18 h,

Gast: Johannes Holzhausen

AT 2019 • 94‘ • Regie: Johannes Holzhausen

Eine untergegangene Monarchie wird von einer Prinzessin repräsentiert, deren unerschütterliche Mission es ist, dass ihrer Dynastie wieder eine echte Verantwortung für Politik und Wirtschaft in der rumänischen Gegenwart übertragen wird. Mit großer Energie, manchmal auch komischen Ausrutschern, überwiegend aber mit dem gebührenden royalistischen Ernst spielt Prinzessin Margareta von Rumänien ihre Rolle als Subjekt und Objekt der eigenen Kampagne. Aufgeführt wird das Stück vom neuen Wein in alten Schläuchen. Mit höfischer Entourage bereist Margareta „ihr“ Land im gleichen königlichen Zug, auf derselben königlichen Strecke, in dem auch schon ihr Vater König Michael I. den Kontakt zu seinen Untertanen suchte und pflegte. Dass der rote Teppich als offensichtlichstes Symbol von monarchischer Grandezza auch beim kleinsten Zwischenstopp einen makellosen Eindruck zu machen hat, versteht sich von selbst – lässt sich aber nicht immer hundertprozentig herstellen. Den Betrieb, der sich um diese Reise ins Rückwärts entfaltet, beobachtet Regisseur Johannes Holzhausen mit distanziert-staunender Neugier, offenbart sich darin doch eine vielsagende (Un-) gleichzeitigkeit zwischen altwurzelndem K.-u.-k.-Zeremoniell und aktueller Marketing-Vision. Ralph Eue / Dok Leipzig

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Brühl: Zoom Kino, Sa. 1.2., 18 h;
Köln: Filmpalette, So. 9.2., 16 h

D 2019 • 75‘ • Regie: Jonas Spriestersbach

Was uns als Menschen ausmacht, ist genau das, was uns vom Tier unterscheidet. Der Film beobachtet in streng komponierten Episoden das Verhältnis von uns Menschen zu diesem immer Anderen, dem Fremden, dem Tier. Wir verhätscheln die Tiere als Mitbewohner, wir züchten sie auf ein Rasse-Ideal hin, wir schlachten sie und legen sie auf unsere Teller. Was TIERE uns aufzeigt, ist so komisch wie erschreckend, so exotisch wie vertraut. Je mehr Indizien der Film vorlegt, desto deutlicher wird: Es ist nicht das Tier, das uns im Wesen fremd bleibt. Die Fremden sind immer wir selbst. Und was liegt da näher, als dass der Mensch am Ende selbst zum Tier wird? Jan Sebening, Dok Fest München

Die Tiere bieten uns einen Spiegel an, aber im Spiegel ist ausser unseren Wünschen und Wahnvorstellungen nichts zu sehen. Einige Tiere werden immer gleichberechtigter sein als andere. Eine extrem dunkle Komödie, die unter die Haut, ähem, das Fell geht ... und dort lange nach Ende des Films verbleibt. Visions Du Reel, Nyon

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Mülheim: Rio, Sa. 1.2., 18 h;
Bochum: Endstation Kino, So. 2.2., 17 h;
Münster: Cin.&Kurbelkiste, 3.2., 18.30 h;
Köln: Filmpalette, Di. 4.2., 19 h

AT/IT/D 2018 • 80‘ • OmdtU • Regie: Valentina Primavera

Fiorella Primavera sitzt in ihrem Haus im ländlichen Italien. Während sie das schwere, enzyklopädisch große Hochzeitsalbum auf dem Schoß liegen hat, fragt sie: „Ob er mich jemals geliebt hat?“. Sie hat die Scheidung eingereicht und ist hier, um ihre Sachen zu packen. Endlich einen Schlussstrich unter den 40 Jahren Ehe voller Beleidigungen, Demütigungen und Gewalt zu ziehen - das hat sie entschieden, als sie nach der letzten großen Eskalation bei ihrer Tochter Valentina in Berlin Zuflucht gefunden hat. Die Tochter begleitet sie auf ihrer Suche nach Selbstbestimmung und Freiheit nach Italien und dokumentiert die aufwühlende Reise mit der Kamera. Gnadenlos begleitet sie die Konfrontationen, nicht nur mit dem Ex Mann, sondern auch mit den patriarchalen Strukturen ihrer gesamten Umgebung. Gleichzeitig entwickelt sie eine liebevolle Hommage an ihre Mutter und eine Studie darüber, was es bedeutet, Tochter zu sein.

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Dortmund: sweetSixteen, Fr. 31.1., 21 h;
Bochum: Endstation Kino, Sa. 1.2., 19 h;
Köln: Filmpalette, Mo. 3.2., 21 h;
Dortmund: sweetSixteen, Mi. 5.2., 19 h

Gast: Angela Christlieb (außer 5.2.)

AT 2019 • 54‘ • Regie: Angela Christlieb

In den improvisierten Räumen von Janka Industries, einem kreativen Mikrokosmos der Wiener Subkultur im 7. Bezirk, haben Chris uns sein Bruder Ali Janka ein skurriles Elektroschrott-Sammelsurium geschaffen. Die Tüftler, Künstler, Musikliebhaber, Tonfreaks und Elektronerds haben das unterirdische Kellergewölbe eines Fabrikgebäudes in den 1980er-Jahren bezogen. Nach 30 Jahren ist die Zukunft des Underground-Laboratoriums nun bedroht. Bands wie Voodoo Jürgens, Petra und der Wolf oder Tankris proben und performen hier. Der Musikfilm fängt die Magie des Ortes ein und setzt ein Statement für die Dringlichkeit von Subkultur.

Regisseurin Angela Christlieb porträtiert in dynamischen, vielfach bearbeiteten Bildern Schauplatz und Zeremonienmeister (…) Gemeinsam erläutern die Gebrüder Janka, die Christlieb als heilige Narren abwegiger Kunstpraktiken in Szene setzt, wie aus den Kellergängen über die Jahrzehnte ein Studio wurde, wie absurd, aber auch punk-romantisch die frühen Jahre sich dort anfühlten, als man ohne Strom, Geld und Wasser an jenem Ort lebte. Eine Prise Lebensgefahr immer inklusive.“ Stefan Grissemann

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Köln: Filmforum, Sa. 1.2., 16.30 h

Mit einer kurzen Einführung von Christiane Büchner (Kommissionsmitglied der Int. Kurzfilmtage Oberhausen)

Aus dem Archiv der Int. Kurzfilmtage Oberhausen

Er gehört zu den wichtigsten und einflussreichsten Filmemachern der Gegenwart. 1990 gewann er mit „Sovetskaja Elegija“ den Großen Preis der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen. Das Festival ermöglichte im letzten Jahr in einer Retrospektive Sokurovs umfangreiches frühes Kurzfilmschaffen kennenzulernen: dokumentarische Arbeiten, bei denen die Grenzen zu Fiktion und Essay verschwimmen, die das Verhältnis zwischen Individuum und Macht beleuchten. Wir haben für unser Programm vier Filme ausgewählt:


Terpenie trud (Patience Labour)

1985-87/2019 • 10’ • Russisch mit engl.UT

Mühe und Fleiss, bricht alles Eis. Der Titel verweist auf ein sinngemäßes russisches Sprichwort. Aber Sokurov läßt das „und” im Titel weg und erzählt in schnell geschnittenen Bildern vom Erdulden der ungeheuren Anstrengung, die professionelle Eisläufer sich auf dem Weg zur perfekten Form abverlangen.


Soldatskij son (The Sleep of a Soldier)

1995/2019 • 12’ • ohne Dialoge

Ein Soldat liegt auf einer Wiese im verminten Gebiet an der tadschikisch-afghanischen Grenze. Erschöpft vom Dienst schläft er unter freiem Himmel, eingewickelt in einen schweren Mantel.


Sovetskaja Elegija (Soviet Elegija)

1989 • 37’ • Russisch mit dt.UT

Januar 1989. Boris Jelzin befindet sich am Tief- und Wendepunkt in seiner Parteikarriere. Sokurov zeigt, woher dieser Mann kommt. Jelzin ist der wortlose Held eines Dramas, zu dessen Verfassern er selbst gehört.



Primer intonacii (An Example of Intonation)

1991/2019 • 48’ • Russisch mit engl.UT

Der zweite Film mit Boris Jelzin. Inzwischen ist er Russlands erster demokratischer Präsident. Sokurov hegt seinen Protagonisten sorgfältig ein. Jelzin wird nicht als Vorbild gezeigt, sondern als ein Beispiel für jemanden, der versucht seine eigene Tonlage zu finden.