Dokumentarfilme International
Red Army
USA 2014 • 85 Min. • OmU • Regie: Gabe Polsky
Red Army, das Eishockey-Team der Sowjetunion, war seinerzeit eins der Besten der Welt. Von Jung auf diszipliniert und ausgezeichnet durch eine Spielweise, bei der Teamwork und das "Funktionieren im Kollektiv" im Mittelpunkt standen, galt es mitten im kalten Krieg als Beweis für die Überlegenheit des sowjetischen Systems. Als Teil der Propaganda war es die einzige Aufgabe des Teams, den Westen zu besiegen. Slava Fetisov, der Kapitän der Red Army, war einer der ersten, die nach der Auflösung der UdSSR von Vereinen der NHL mit dem Versprechen auf Wohlstand und Freiheit in die USA geholt wurden - weshalb sie in der Heimat zu politischen Feinden deklariert wurden. Doch die Spielweise der sowjetischen Athleten funktionierte im amerikanischen System der Stars und Individualisten nicht, weshalb die meisten die Rehabilitation in der alten Heimat suchten, die sich inzwischen sehr verändert hat.
Traum der Weisen
Uraufführung mit dem Filmteam
D / M 2014 • 85 Min. • OmU • Regie: Daniel Gräbner
Der Dichter Mohamed sitzt im Innenhof seines Hauses und erzählt das Märchen einer vergangenen Zeit. Im kleinen Dorf Diabat, irgendwo am Meer in Südmarokko, ist Jimi Hendrix gewesen. Und mit ihm ein ganzer Schwarm von Hippies, die den Ort als ihr Mekka entdeckt hatten. Doch die goldene Epoche ist lang vorbei. Was übrig geblieben ist von damals sind Erinnerungen, Musik, geheimnisvolle Inschriften an den Wänden, der Mythos von Jimi Hendrix und die Stimmung eines verträumten Dorfs im Sommer. Nun jedoch bahnt sich unaufhaltsam der Konflikt zwischen den alten Träumen und der materialistischen Realität der Globalisierung seinen Weg. Dort wo man früher gemeinsam am Lagerfeuer saß, entsteht jetzt ein Golfplatz samt Luxushotels.
Double Happiness
A 2014 • 72 Min. • OmU • Regie: Ella Raidel
Wenn zwei Menschen sich vermählen, so ist das nach chinesischer Vorstellung nicht ein geteiltes, sondern doppeltes Glück. Auch Kulturen können sich glücklich duplizieren, indem sie sich nachahmen. Diese Idee hat China zu einem Land von Meisterkopisten werden lassen. Kopiert werden nicht nur Gemälde, sondern ganze Orte samt dazugehöriger Landschaft. So wie Hallstatt im Salzkammergut. Die Bewohner des pittoresken Touristenortes, die sich für einzigartig hielten, mussten feststellen, dass sie ausspioniert und geklont wurden. Die Hotelbesitzerin sieht darin eine menschliche Urangst realisiert, doch als gute Geschäftsfrau ist sie auch fasziniert. Warum also nicht Bürgermeister und Blaskapelle nach China schicken, um das Glück zu besiegeln? DOK Leipzig 2014
The second Game
RO 2013 • 97 Min. • OmU • Regie: Corneliu Porumboiu
Der bisher einfachste und zugleich gewitzteste Film Porumboius: Das von einem alten TV-Gerät abgefilmte Fussballmatch der beiden Bukarester Traditionsclubs Steaua und Dinamo am 3. Dezember 1988; in der Bedeutung etwa vergleichbar einem Wiener Stadtderby. Aus dem Off kommentiert wird das Match von Porumboius altem Vater im Zwiegespräch mit seinem Sohn. Der Vater war damals Schiedrichter, das Match drohte im Schnee zu ersticken, und niemand ahnte, dass ziemlich genau ein Jahr später auch das große Spiel der rumänischen Politik vorbei sein würde. Aber damals, so erzählt der Vater, war ein nicht gegebenes Abseits wichtiger. Fussball und Politik wie noch nie. Viennale 2014
Domino Effekt
D/PL 2014 • 76 Min. • Regie: Elwira Niewiera und Piotr Rosołowski
Rafael, Sportminister von Abchasien, kämpft für ein Event: eine Domino-Weltmeisterschaft. Mit der sturköpfigen Zielstrebigkeit eines Don Quichotte will er mittels Sport Abchasien wieder zu alten Ehren zurückführen. Rafael trotzt allen Widrigkeiten: dem fehlenden Strom, der Talentlosigkeit der Sportler und den Tränen seiner Frau, der Moskauer Sängerin Natascha, die für ihn ihre Heimat aufgab. Natascha fühlt sich derweil fremd und zerrieben im Kulturstreit, die beide territoriale Ansprüche auf die halbautonome kaukasische Region erheben. Nahezu meisterlich ist es Elwira Niewiera und Piotr Rosołowski gelungen, die privaten Familienkonflikte einer Mesalliance mit den zuweilen ins Absurde gehenden politischen Realitäten Abchasiens spiegelbildlich zu verbinden. So, wie das Paar sich noch finden muss, ist das Land auf der Suche nach sich selbst. - DOK Leipzig 2014
Devil's Rope
US/B 2014 • 88 Min. • engl. OV • Regie: Sophie Bruneau
Die Geschichte einer Nation heruntergebrochen auf einen Gegenstand: der Stacheldraht. Er dient als Metapher für die Erschließung und Abgrenzung der Supermacht USA. Lustvoll und mit überraschenden Volten erzählt Sophie Bruneau in großen Tableaus von der Genese und dem Variantenreichtum dieses schlichten Drahtes. Die Referenzen an das Urgenre des amerikanischen Kinos, den Western, der die Bilder konnotiert, entfalten ein zusätzliches Sehvergnügen. DOK Leipzig 2014
The Visitor
IND/CH/BRA 2014 • OmU • Regie: Katharina Schröter
São Paulo, Mumbai und Shanghai - in drei Weltmetropolen schaut der Zuschauer der Regisseurin im wahrsten Sinne des Wortes über die Schulter. Er blickt mit ihr auf Menschen, denen sie in den Städten begegnet, denen sie auf der Straße einfach folgt und in deren Leben sie behutsam eindringt. Stumm, ohne Worte, findet ihre Kommunikation statt. Und während die Kamera still beobachtet, öffnen sich die Menschen.
Spieler
A 2014 • 70 Min. • Regie: Katharina Copony
Rustem ist 25 Jahre alt und lebt vom Spielen. Bis zu 100.000 Dollar hat der russische Wahlberliner bereits beim Onlinepoker an virtuellen Spieltischen verdient - vor dem Laptop im verdunkelten Wohnraum, isoliert und ganz für sich. Mit Glück habe das Gewinnen weniger zu tun, vielmehr mit einem guten Gespür für Zahlen und Wahrscheinlichkeiten. Und freilich mit gesundem Selbstvertrauen: Wer nicht von der eigenen Überlegenheit am Pokertisch überzeugt ist, braucht sich gar nicht erst zu setzen - oder einzuloggen. Katharina Copony begleitet Rustems ungewöhnlichen Alltag zwischen momenthaftem Glamour und Klischee, zwischen schnell erspielten Geldsummen, Mikrowellenburger und Feierabend-Longdrink. Diagonale 2014
1971
USA 2014 • 79 Min. • OV • Regie: Johanna Hamilton
Zu einer Zeit, in der das Wort „files“ noch Akten aus Papier bezeichnete, nicht Konglomerate aus Nullen und Einsen – 1971 also, lange vor Wiki-Leaks und NSA – brach eine Gruppe politisch engagierter US-Bürger in das FBI-Büro in Media, Pennsylvania, ein und räumte die Büroschränke aus. Ans Licht des Tages kam unter anderem ein ebenso streng geheimes wie schwer illegales, ziviles Überwachungsprogramm namens «Cointelpro», dessen Implikationen nicht nur den Vorsitzenden des alsbald einberufenen Untersuchungsausschusses konsternierte. Originalmaterial, Reenactments und aktuelle Interviews mit Beteiligten rekapitulieren eine historische Episode, die einen verstopften J. Edgar Hoover rasend machte. Viennale 2014
Children 404
R 2014 • 76 Min. • OmeU • Regie: Pavel Loparev & Askold Kurov
2013 unterzeichnete Putin das Gesetz gegen "homosexuelle Propaganda". Schwule und Lesben sind seither Einschüchterungen und Schikanen schutzlos ausgeliefert. Psychologen und Lehrer und sogar Eltern riskieren Strafen, wenn sie Partei ergreifen. In anonymen Interviews und Videotagebüchern berichten 45 junge russische Homosexuelle von ihren Diskriminierungserfahrungen und ihrem Kampf gegen die sexuelle Steinzeit in Russland. Das Material stammt von dem Webprojekt "Children 404", das 2013 von der Journalistin Lena Klimova ins Leben gerufen wurde und sich nach den "error 404 - page not found" - Benachrichtigungen benannt hat.
Patriotinnen
D 2013 • 84 Min. • tw. OmU • Regie: Irina Roerig
Irina Roerig proträtiert drei russische Frauen, die eine tiefe Liebe zu ihrem Vaterland eint, unter der jede von ihnen allerdings etwas anderes versteht. Am nächsten sind sich da noch die 1969 in Riga geborene Sängerin und Poetin Elena Frolowa und ihr großes Vorbild, die 1892 in Moskau geborene Dichterin Marina Zwetajewa. Aus Zwetajewas Gedichten lässt sie Lieder entstehen, die vom Leben zwischen Revolution, Emigration und dem Untergang der Sowjetunion erzählen. Schärfste Kritikerin dieser Verbindung ist Elena Frolowas eigene Mutter Maja, die als Kind des Sozialismus mit kühlem Verstand auf die Restauration mystischer Ideen in Russland blickt. Im Film leiht Iris Berben Marina Zwetajewa ihre Stimme.
True Stories of Love, Life, Death and sometimes Revolution
DK/SYR 2012 • 62 Min. • Fassung • Regie: Nidal Hassan & Lilibeth Cuenca Rasmussen
Im März 2011 kam die dänische Künstlerin Lilibeth Cuenca Rasmussen in Damaskus an, um einen Film mit Nihad Hassan zu machen. Einen Tag vor ihrer Ankunft brach der syrische Volksaufstand aus. Der Film, der eigentlich vom Kampf syrischer Frauen handeln sollte, wandelte sich plötzlich zu einen Film über den Kampf um Freiheit eines ganzen Volks. Die Filmer reisten nach Damaskus, in den Süden nach Swaida und den Norden nach Kobani. Es entstanden erste Geschichten über die Liebe, das Leben und den Tod. Während Lilibeth nach Dänemark zurückkehrte, dokumentierte Nidal weiterhin die syrischen Aufstände, wurde zweimal festgenommen, verschwand und kehrte doch immer zurück, um den Film fertig zu drehen.