Dokumentarfilme aus NRW
D 2019 • 85‘ • Regie: Daniel Abma
Kurort Bad Oeynhausen: Tausende Lkw wälzen sich täglich durch die Innenstadt und über die Bundesstraße 61, die die Bundesautobahnen A 2 und A 30 respektive die Metropolen Warschau und Rotterdam miteinander verbindet. Als die Aberkennung des Status als Kurort, also der Verlust des einladenden Titels „Bad“ droht, muss sich etwas ändern: Eine Umgehungsstraße soll gebaut werden. Über einen Zeitraum von acht Jahren dokumentiert der Film den Verkehrsinfarkt am Nadelöhr, die Arbeit von Bürgermeister, Polizei, Feuerwehr und Baufirmen, die Verzögerungen bei der Fertigstellung der Nordumfahrung und vor allem die Reaktionen der betroffenen Anwohner. Die freuen sich auf Ruhe und Entlastung – oder werden schon bald ein Stück Autobahn vor ihrem Häuschen haben. Weniger die große Infrastrukturmaßnahme steht im Zentrum der Langzeitdokumentation als vielmehr die Folgen für die Menschen am Straßenrand. Dort „aufgelesen“, mit einem feinen Gespür für besondere Charaktere und viel Raum für deren Persönlichkeiten und Eigenheiten, finden sich weitere Geschichten. Die lokale Tradition des Lkw-Zählens, sei es an der Bundesstraße oder an der Autobahnbaustelle, gehört ebenso dazu wie der Spaziergang oder das Joggen auf der lange unvollendet bleibenden Trasse. Frederik Lang / Dok Leipzig
D 2019 • 85‘ • Regie: John David Seidler
Die erste Fußballweltmeisterschaft der Frauen fand im Jahr 1981 in Taipeh statt. In einer Zeit, in der der DFB den Frauenfußball eher duldete als förderte, nachdem er bis 1970 noch offiziell verboten war. So hatte er auch wenig Interesse daran, eine Frauennationalmannschaft zu gründen. Stattdessen wurden die Rekordmeisterinnen der SSG 09 Bergisch Gladbach nach Taiwan geschickt. Ursprünglich aus einer Kölner Thekenmannschaft entstanden, spielten sie das Turnier ihres Lebens – und gewannen. Die ehemaligen Spielerinnen erzählen anekdotenreich und mit einer großen Portion Humor von den heute absurd anmutenden Bedingungen: von der Ignoranz, gegen die sie sich durchsetzen mussten und dem chauvinistischen Gebaren, von dem sie umgeben waren. Untermalt durch historisches Filmmaterial sind es Zeitzeugnisse einer Männerwelt, die heute umso anachronistischer wirken. Ein Film über viel mehr, als sportlichen Erfolg – ein Film über Gleichberechtigung und Anerkennung.
D 2019 • 67‘• Regie: Florian Kunert
Im sächsischen „Tal der Ahnungslosen“, weit weg von Berlin und der alten Bundesrepublik, war zu DDR-Zeiten kein Westfernsehen zu empfangen. Man lebte damals ruhiger, erinnert sich eine Bewohnerin in Florian Kunerts Film – ganz im Gegensatz zur Gegenwart, wo die Region durch weit verbreitete Fremdenfeindlichkeit traurige Medienberühmtheit erlangt hat. Kunert, 1989 geboren, ist hier aufgewachsen. In seinem Film unternimmt er ein Experiment: Rund um die Ruine des volkseigenen Kombinats „Fortschritt“, wo einst Landmaschinen hergestellt wurden, inszeniert er für die Kamera und durch die Montage filmisches Erinnern. Junge syrische Flüchtlinge, die heute dort leben, lässt er auf ehemalige Werksangestellte treffen. FDJ-Lieder, Trabis oder auch ein Pferd initiieren Reenactments, die Protagonisten werden dabei zu Darstellern ihrer eigenen Geschichten. Archivmaterial aus Zeiten, da die Freundschaft zwischen Syrien und der DDR bejubelt wurde kontrastiert zeitgenössische Aufnahmen von Pegida-Versammlungen. Kunerts Arbeit als Regisseur ähnelt der eines Therapeuten, der sich um der komplizierten Gegenwart willen mit der Vergangenheit beschäftigt, die sich nicht so einfach nacherzählen lässt. Katalog Berlinale / Gewinner Sonderpreis Deutscher Kurzfilmpreis 2019!
D/AT 2018 • 104‘ • Regie: Anna Schwingenschuh
Die Lofoten waren lange Zeit isoliert, bis der Fährverkehr kam. Seitdem ist die norwegische Inselgruppe ein beliebtes Reiseziel. Im Sommer. Im Winter bleiben die meisten TouristInnen fern. Es bleiben: Kälte, Dunkelheit, Langsamkeit. Und Menschen, die InselbewohnerInnen sind, es noch werden, oder gar nicht sein wollen. Da ist zum Beispiel die Philippinerin Grace, die wegen der Liebe in den Norden zog. Oder Stig, der vergessen hat, das Wasser laufen zu lassen, damit die Rohre bei den Minustemperaturen nicht einfrieren. Ein Film, der viel mehr ist, als ein Reisebericht. Er rückt die Menschen in den Vordergrund und erzählt über die individuellen Geschichten vom Mikrokosmos des Insellebens, so, „als wären wir auf einem anderen Planeten“.
D 2019 • 90‘ • Regie: Christian Meyer, Sebastian Bergfeld
Sie sind der Mittelpunkt auf Hochzeiten, Geburtstagen und Feierlichkeiten aller Art: Alleinunterhalter. Jeder kennt sie und die Meinungen zu dieser besonderen Künstlerspezies könnten nicht unterschiedlicher sein. Sie reichen von „beeindruckendes Künstlertum“ bis „lächerliche Show“ und „nervige Amateure“. Was ist mit den Menschen hinter den Instrumenten und Soundstationen? Der Film begleitet drei Künstler, die es sich zur (Lebens-) Aufgabe gemacht haben, andere zu unterhalten: den Hardrock-Songs spielenden Heimorgelspieler Mambo Kurt, den Kölner Alleinunterhalter Dieter und die Diplom-Clownin und Performance-Künstlerin Corina. Drei sehr unterschiedlichen Charaktere, für die die One-Man-Show nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung ist. „Ich bin ein Alphablümchen. Ich möchte machen was ich will, habe aber auch keine Lust, meine Ellenbogen dafür einzusetzen.“ (Mambo Kurt)
TRAUMFABRIK
D 2020 • 90‘ • Regie: Klaus Martens
Eine ehemalige Maschinenfabrik im Kölner Norden ist für hunderte junger Menschen zum wichtigsten Ort in ihrem Leben geworden. Ein Lebensmittelpunkt für all die, deren berufliche Zukunft mit Lautstärke zu tun hat. In dem alten Klinkerbau befinden sich hundert Proberäume, in denen Musiker aller Genres, Bands, Instrumentalisten, Sänger und Sängerinnen üben. Zum Beispiel das Duo „The Bottomline“. Franzis und Elia haben sich komplett der Musik verschrieben und kämpfen darum, irgendwann Hallen zu füllen und das Publikum emotional zu berühren. Oder Adam, den sie alle Eddy nennen. Der Punker und Singer-Songwriter, der vor Jahren aus einem spießigen Dorf im britischen Wales flüchtete und seitdem seine Geschichten in Liedern erzählt. Eine alte Fabrik voller Klaviere, Keyboards, Gitarren, Flöten und Trompeten, vollgestopft mit Verstärkeranlagen, Mikrofonständern und Mischpulten. Umgebaut zu einem Gewirr von Gängen, gesäumt von Proberäumen, Studios, Tanzböden. Eine Produktionshalle, mutiert zu einer Traumfabrik für angehende Opernsänger, Solisten auf allen erdenklichen Instrumenten, Bands aller Genres. Die unterschiedlichsten Typen, die aber eines gemeinsam haben: den Traum von der Karriere auf der Bühne.
KURZFILMPROGRAMM NRW
SUNDAY SONGS – SONNTAGSLIEDER
D 2019 • 11‘ • Regie: Danila Lipatov
Ein Sonntag in der Russisch-Orthodoxen Kirchengemeinde Hl. Panteleimon zu Köln in Porz-Westhoven. Im Gotteshaus wird gesungen, anschließend sticken und nähen die Mädchen im Gemeindehaus, während die Jungs Holzarbeiten bestaunen dürfen. Und später bleibt noch Zeit für Tennis!
FATHER OF AKKA
D / ISR 2018 • 19‘ • Regie: Katja Tauber
Abu Akka wuchs in dem arabischen Viertel der Stadt Akka auf. Das Leben dort ist laut, gesellig aber auch geprägt von Gewalt. Seine Vergangenheit ist überschattet von einem Streich, den er als Teenager begangen hat und der ihn ins Gefängnis brachte - unter den Folgen dieses Tages leidet er bis heute. Abu Akka erinnert sich aber auch an die guten Zeiten in seiner Heimatstadt. Dort traf er auf seine erste und einzige Liebe: Céline, eine Schweizer Backpackerin.
SHIPS OUTSIDE MY WINDOW
D 2018 • 27‘ • Regie: Rebana Liz John
Was als Film über das Leben eines Seemanns beginnt, wird zum Psychogramm einer ganzen Familie: Der Vater der Filmemacherin kann seinen Beruf aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht mehr ausüben. Die Krankheit hat dabei tiefgreifende Auswirkungen auf alle Beteiligten. Schonungslos offen sprechen der Vater und die Mutter über ihre Ehe und die Schäden, die sie einander zugefügt haben.